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Fibel Geschichten

Auf der Alm

Von Weidegenüssen und dem Gut der tierischen Sommerfrische

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Mit Zitaten von Joseph Glatz, der dem Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern und der Weidegenossenschaft Garmisch vorsteht, sowie ergänzenden Gedanken von Andreas Karg, der 2. Vorstand der Weidegenossenschaft Partenkirchen ist und zugehörigen Zuchtwiddern jedes Jahr ein Winterquartier bietet.

Weidegenuss wird Weiderecht

„Eigentlich hat sich nur die Organisation ge-ändert, denn die
Bauern haben sich schon immer zu-sammengetan, um unsere Almflächen zu bewirtschaften.“

… die Weiderechte haben eine lange Geschichte und sind überall ein wenig anders geregelt. Aber in ihrem Ursprung lassen sie sich alle auf die sogenannte Allmende zurückführen. Diese spielte vor allem im frühen Mittelalter eine Rolle und meint, dass Flüsse, Wald und Wiesen von jedem Bürger genutzt werden dürfen. Ab dem 15. Jahrhundert beanspruchten die Machthabenden dieses Recht an öff entlichem Grund immer mehr für sich. „So sind die meisten unserer Almen seit diesem Zeitpunkt urkundlich erwähnt. Die Säkularisation im Jahre 1803 war dann der nächste große Eingriff – da ist auf einen Schlag das gesamte Kirchengut an den Staat gefallen und für die Bauern hat sich die Herrschaftsform komplett geändert. Sogenannte Weidegenüsse wurden zu Weiderechten und um 1900 kam es zur Grundbucheinführung, wodurch die Rechte wirklich auf die Höfe geschrieben wurden. Und zwar nur auf die, die vor 1803 Bestand hatten. Seitdem gibt es festgeschriebene Nutzungsrechte für Almflächen, sowie für Holz und Kies, und die Berechtigten haben sich ab 1908 in Weidegenossenschaften und Vereinen organisiert. Diese Organe regeln bis heute die Beweidung der Almen und Heimweiden bei uns im Landkreis und dieser Zusammenschluss von vielen kleinen Bauern ist in Oberbayern einmalig.

Gemeingut

Ganz früher bedeutete Allmende sogar, dass unverteilte Flüsse, Wälder und Wiesen von allen Dorfbewohner genutzt werden durften. Auch der Begriff „Alm“ hat hier seinen Ursprung. Im Laufe der Zeit lösten die Herrschenden diese Rechte ab, davon ausgenommen blieb das Alpengebiet. Heute wird die Alm- und Heimweidenutzung immer noch wie ursprünglich zur Allmendezeit gemeinschaftlich ausgeübt

MF 2020 0603 ZugspitzRegion ALMAUFTRIEB 0173

Viele Beine – viele Jungspunde

Rind – Schaf – Ziege – Pferd

… diese Tiere werden bei uns auf die Alm getrieben. Ob man im Landkreis 47 oder 48 Almen zählt, ist Auslegungssache. Die vielen weiteren, tierisch beeindruckenden Zahlen hingegen nicht. Denn insgesamt dürfen sich jedes Jahr um die 2000 Rinder auf den Almbesuch freuen, 600 davon kommen von außerhalb und verbringen hier die Sommerfrische. Zusätzlich werden ungefähr 130 Pferde, 300 Ziegen und 2300 Schafe aufgetrieben – Letztere machen ganze 67 % aller gealpten Schafe Oberbayerns aus! Je nach Wetter geht es für alle Almtiere und ihre Viehhirten von Mai bis Oktober hinaus und hinauf. Oftmals bis in hochalpine Lagen und auf Flächen, die bis heute ohne offi ziellen Weg auskommen und mühevoll zu Fuß „erobert“ werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel die Schell, Stepberg, Stuiben, Krüner und Rehbergalm. Im Gegensatz zu damals kann jedoch im Frühjahr per Hubschrauber, Materialbahn oder Quad das Wichtigste hinauf transportiert werden. Eine Herausforderung für Mensch und Tier bleibt’s allemal.

Ochsengeschirr

Bei den Rindern handelt es sich überwiegend um Jungvieh – früher wurden noch viele Ochsen aufgetrieben, die als „Exportschlager“ galten. Als jedoch die großen Zugmaschinen auf die Höfe kamen, war es mit den Arbeitsochsen schnell vorbei. So grasen auf damaligen Ochsenalmen, wie zum Beispiel der Alm am Frieder, heute nur noch Schafe.

Hutverlas mit Frauenanteil

„Laut den Weidebeschrieben, die
bis heute Gültigkeit haben, müssen die Tiere von gut beleumundeten
Hirten betreut werden.“

Stecken

… ein Hirte muss seine Herde immer im Blick haben, sie führen, Krankheiten erkennen, verletzte Tiere einfangen, versorgen und notfalls den Tierarzt holen. Eine anstrengende und anspruchsvolle Tätigkeit, die nicht ein jeder ausüben kann. Drum wird geprüft, wer sich einen Sommer lang bindet – und das traditionell immer am Sonntag nach Fasching beim sogenannten Hutverlas. Dort werden die Hirten für den nächsten Sommer ausgewählt. Wichtige Kriterien sind dabei landwirtschaftliche und alpine Kenntnisse sowie körperliche Fitness. Auch Frauen kommen dabei zum Zug und haben dann den Hut auf. „Fest angestellt ist allerdings nur Hirte oder Hirtin, aber meist ist die Familie mit dabei und oft betreibt der andere Teil dann noch eine Hüttenwirtschaft dazu. Und es ist immer von Vorteil, wenn mehrere Leut‘ oben sind, dann kann man im Notfall zamhelfn.“ Allerdings gibt es diese durchgängigen Hirtenverpflichtungen nur in den größeren Weidegemeinschaften. In den kleineren Ortschaften organisieren sich die Bauern selbst und wechseln sich mit den Hüteaufgaben ab.

Unbenannt 3

Der Begriff Hutverlas kommt von der „Hut“ also dem Hüten der Tiere und dem „Verlesen“ also der Auswahl.

Begattungsmanagement bis Landschaftspflege

„Im Winter sind die Hirten oft bei der Gemeinde oder den Bergbahnen angestellt. Zum Beispiel als „Streckerer“ (Pisten-raupenfahrer), was gut zum beruflichen Sommer- Winter-Rhythmus passt.“

*Schwenden = Entbuschen, Entsteinen und somit Erhaltung der Almweiden

… „wir als Genossenschaft schauen auch, dass alle Mutterschafe beglückt werden. Von der Weidegenossenschaft Partenkirchen haben wir dafür
zum Beispiel acht eigene Bergschafwidder, die den Sommer über die ganze Herde decken.“ Ansonsten sind die Aufgaben der Weidegenossenschaften und Vereine sehr vielfältig und von großem freiwilligen Einsatz geprägt. Sie reichen je nach Ortschaft von der festen Anstellung der Hirten über Zaun, Hütten und
Wegebau sowie gemeinsame Schwendarbeiten* bis zur Anschaffung verschiedener Gerätschaften für die ordentliche Weideführung.

Regenwald der Berge

… ist als Bezeichnung für unsere Almen mehr als treffend. Denn auch, wenn man sich jenseits tropischer Temperaturen befi ndet, ist hier die Artenvielfalt zu Hause. Auf gänzlich ungedüngten Flächen, die extensiv genutzt werden und auf denen es von Kleintieren, Gräsern und Kräutern nur so wimmelt. Ein schützenswerter Ort, den wir alle genau so brauchen! Da macht es Sinn, die Sinne zu schärfen: Müll ist für jedes Lebewesen eine Katastrophe und muss wieder mit; Tränken und Brunnen führen wertvolles Trinkwasser und fürchten Seife und Sonnencreme; Hunde ohne Leine gefährden Weide und Wildtiere und ihre Hinterlassenschaften gehören in die Tüte.

Almanekdote
mit Hubschraubereinsatz

MF 2020 1022 Zugspitz Region 0063 1

… 1996 fiel am 25. August gut ein Meter Neuschnee, was die Schafe auf den Hochalmen in echte Bedrängnis brachte. In Partenkirchen zum Beispiel rückte die Feuerwehr aus und half dem Hirten und den Bauern beim Suchen. Um die letzten Schafe zu finden, kam dazu noch der Hubschrauber zum Einsatz und warf Heuballen ab. So wurden die Tiere angelockt und anschließend ausgeflogen. Der Großteil der Herde konnte gerettet werden.

Kein Ochs am Werk

Ochsenhoerner

… und auch sonst ist die Viehdichte auf unseren Weiden naturschonend
gering. Ein Beispiel*, das zeigt, was extensive Nutzung heißt:

Theoretisch auftriebsberechtigt:

264 Kühe, 333 Ochsen,
606 sonstige Rinder
90 Pferde,
392 Schafe,
62 Ziegen

Tatsächlich aufgetrieben:

40-50 Kühe, 0 Ochsen,
380 sonstige Rinder,
12 Pferde,
420 Schafe,
ca. 40 Ziegen