mit weiteren Gedanken von Cornelia Back und ergänzenden Zitaten von Josef Sailer, der kutschtüchtige Warmblüter züchtet und mit 14 Jahren einen Fahrkurs in Schwaiganger absolvierte.
Das Glück dieser Erde
… hat im Landkreis große Tradition. Es fliegt über Hindernisse, zieht Holz aus dem Wald und wird mit viel Stolz auf Umzügen eingespannt. Die meisten Pferde sind bei uns noch heute in landwirtschaftlichen Betrieben daheim. „Das war schon vor über 100 Jahren so, allerdings waren Pferde schon damals ein Luxus, den sich nur die größeren Bauern leisten konnten. Und nur ganz wenige wurden in der Landwirtschaft eingesetzt. Denn Pferde fanden früher ihre Arbeit im Handels- und Transportwesen. Bis 1912 die Eisenbahn kam, waren sie wirklich Reisetiere. Kunden mieteten sich eine Kutsche mit Kutscher und fuhren teilweise bis nach Sizilien runter. Diese Pferde haben Geld gebracht und wurden nachgefragt, darum war das hier schon immer Pferdeland.“
„Um sich vor 120 Jahren ein Pferd zu leisten, musste man so viel aufwenden, wie ein Beamter Jahreseinkommen hatte. Pferde waren immer schon Luxus.“
Schritt, Trab, Galopp
„Die Bezeichnung „Kaltblut“ hat nichts mit der Körpertemperatur zu tun. Sie bezieht sich vielmehr auf das Temperament dieses Pferdetyps, das als ruhig und gelassen gilt.“
… top! „Heute hat man hier im Landkreis eigentlich alle Pferderassen, vom Kaltblut übers Warmblut bis zum Pony. Und alle haben ihre Berechtigung. Trotz dem finde ich, dass der Kaltblutschlag zu unserer Gegend besonders gut passt, weil er das natürliche Futterangebot am besten verwertet und gleichzeitig den Bedürfnissen der Halter entspricht.“ Denn wie auch Frau Back bestätigt, sind die heutigen Süddeutschen Kaltblüter echte Allrounder. Sie gehen mit tollen Bewegungen unterm Sattel und lassen sich gelassen vor die Kutsche spannen. „Eingespannt wird hier noch viel, im Straßenverkehr, auf Umzügen, das gehört einfach dazu. Außerdem bieten wir in Schwaiganger mit unseren Kaltbluthengsten Holzrückkurse an und fahren Quadrillen auf Schauen mit so tragen sie auch ein Stück Identität aus der Region hinaus.“
Das Pferd muss auch ein Partner sein, so ist das hier auch bei der Kuh. Die haben Namen, die Bauern kennen die Abstammung und geben sie als Familiengeschichte weiter. Auch das ist Zucht, eine Verbundenheit, die darauf beruht, dass man die Tiere durch und durch kennt.
Auf der Brennsuppn dahergeschwommen
„Früher hat man sämtliche Pferdeschläge am Alpen- rand gemixt und daraus ist auch das Süddeutsche Kalt- blut entstanden. Damals hieß es „das starke Pferd im bayerischen Oberland“ mit Brandzeichen ‚OB‘.“
… ist manchmal der wohlmeinende Außenstehende. Denn das Problem für viele landwirtschaftliche Be triebe ist nicht das Thema Tierwohl an sich, sondern der Aktionismus, mit dem es oft angegangen wird. Bei den Pferden ist die Markierung durch ein Brandzeichen am Oberschenkel dafür ein gutes Beispiel. Dank einer Tierschutz-Initiative dürfen Pferde nämlich nicht mehr gebrannt werden. Stattdessen bekommen sie jetzt einen Chip eingesetzt – was in der Praxis zu echten Problemen führt. „Denn diesen Chip kann man einerseits manipulieren und andererseits verschwindet er nicht selten irgendwo im Pferdekörper, wenn das Tier wächst und sich entwickelt“, erzählt Frau Back. „Außerdem haben Pferde eine viel dickere Hautschicht als wir, der Brand ist nur ober flächlich und der Schmerz kurz. Beim Chip-Einsetzen mit der Spritze springen sie viel mehr herum.“ Ein Erfahrungsbericht, der zum Nachdenken anregt.
In guter Gesellschaft
„Schade, dass man in unserer Geschirrkammer den Ledergeruch nicht einfangen kann.“
…ist in Schwaiganger der Holzrücklehrgang mit dem Pferd als Arbeitstier. Denn er gesellt sich zu weiteren Kulturguthütern, die auf dem Gestüt einen festen Platz haben. Wie die Staatliche Hufbeschlaglehrschmiede (einzige Süddeutschlands) oder auch andere vom Aussterben bedrohte Tierarten. „Wir züchten Murnau-Werdenfelser Rinder sowie das Alpine Steinschaf, das schwarze Bergschaf und das Brillenschaf.“
Die Jagd zu Pferde
… ist einer jener alten Bräuche, die im Haupt- und Landesgestüt Schwaiganger bis heute gepflegt werden. Auf der hürdengespickten Strecke stirbt kein Fuchs, sondern duftet eine künstliche Fährte aus Heringslake für die Hundemeute. Deutlich gemächlicher, aber nicht minder emotional, geht es auf der traditionellen Leonhardifahrt am 6. November zu. Jedes Jahr machen sich an diesem Pferdefesttag zahlreiche Gespanne auf den Weg und nehmen an Prozession und Pferdesegnung teil. In Schwaiganger kümmert sich ein eigener Sattlermeister um die historischen Geschirre, die handgefertigt sind und dann mit bestimmten Farben und dem Schwaigangerer Gestütsbrand eindrucksvoll die Tiere schmücken.
Traditionen in Bild und Ton vom Haupt und Landesgestüt Schwaiganger
Herzklopfen und Heringslake – ein Video über die traditionelle Herbstjagd zu Pferde
Prunkgeschirr und Pferdesegnung ein Video über Leonhardi und das Süddeutsche Kaltblut